Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Verspannungen und Bewegungseinschränkungen führen viele Menschen in die Yogastunden. Wie gut sind die Yogalehrer auf gesundheitliche Fragen ihrer Schüler vorbereitet? Wie sicher fühlen sie die Yogalehrer im Umgang mit Beschwerden und Schmerzen ihrer Schüler? Wie genau können Yogalehrer die Beschwerden und mögliche Risiken des Schülers einschätzen? Wann weiß der Yogalehrer welche Übungen absolut ungeeignet sind und wann der Yogaschüler zum Arzt oder Physiotherapeuten gehen sollte?
Wie genau kennst du dich mit dem Aufbau der Kniegelenke aus? Bei welchen Bewegungen werden die Knie besonders stark belastet und was sollte mit einer Kreuzbandplastik vermieden werden? Was muss im Yoga bei einem Bandscheibenvorfall beachtet werden? Es könnten jetzt noch hunderte weitere Fragen folgen.
Doch mit diesen Themen werden die Netzseiten noch nicht überschüttet. Yoga verbinden wir heute mit einem schönen und strahlenden Körper. Yogis sind jung und sexy. Yogis wissen was sie wollen. Yogis sehen verdammt gut aus. Yogis ruhen in sich selbst. Yogis sind sportlich und stehen entspannt im Kopfstand. Yogis gehen ihren eigenen Weg. Yogis leben ihre Spiritualität und sind Selbstbewusst. Yogis sind gesund und glücklich.
Das ist die Yoga-Welt die wir im Netz und in Zeitschriften überwiegend zu sehen bekommen. Und sie zieht viele Menschen an, Menschen die sich danach sehnen genau so zu sein.
Immer mehr möchten in diese Welt eintauchen. Jeder möchte sich in seinem Körper wohl fühlen. Wir möchten gesund leben und attraktiv sein. Yoga bietet uns diese Welt. Sich körperlich und auch geistig wieder richtig gut zu fühlen, dass sind die Wünsche die immer mehr Menschen zum Yoga zieht. Und das ist auch gut so.
Yoga verändert den Körper und den Geist. Yogalehrer/innen begleiten körperliche und seelische Entwicklungen und unterstützen den Weg in ein bewussteres und glücklicheres Leben.
In diesem Artikel möchte ich gern den Aspekt der körperlichen Veränderungen in den Fokus nehmen. Neben den vielen, vielen positiven Erfahrungen möchte ich die Schüler genauer betrachten die vielleicht einen holperigeren Weg gehen. Die Schüler die sich mit ihren Beschwerden und auch Schmerzen ihres Körpers auseinander setzen müssen.
In diesem Artikel findest du 3 Gründe für die Kombination von Yoga und Physiotherapie
- Im Yoga steckt medizinisches Potential
- Yoga und Physiotherapie kann sich gegenseitig ergänzen und unterstützen
1. Grund: Yoga Physiotherapie – Das medizinische Potential von Yoga
Ich bin Yogalehrerin und Physiotherapeutin und ich sehe, dass Yoga als erstes die Menschen in Bewegung bringt. Ich denke dass Bewegung einer der wichtigsten Wege überhaupt ist Gesundheit zu erleben. Yoga bietet unmittelbar diese Bewegung an. Und nicht nur Bewegung, sondern auch die Wahrnehmung des Körpers. Die Wahrnehmung der wundervollen Veränderungen die sich durch achtsame und regelmäßige Bewegung einstellen. Yoga schult die Wahrnehmungsfähigkeit und lässt wieder ein Gefühl dafür entstehen, was uns gut tut und was uns weniger gut tut. Mehr Bewegung an der frischen Luft und gesundes Essen werden zur Selbstverständlichkeit.
Jeder Mensch startet jedoch mit einem anderen „Gesundheits-Päckchen“. Damit meine ich die Beweglichkeit der Muskeln und Faszien, die Stabilität der Gelenke, voran gegangene Verletzungen oder Operationen und andere Erkrankungen. Dazu kommen noch andere Lebensumstände. Die Zufriedenheit mit dem Job und der Familie, die täglichen Aufgaben und Herausforderungen.
Ich behaupte sehr viele Yogalehrer sind auf die Zielgruppe vorbereitet worden die relativ gesund und jung ist. Der Stundenaufbau für Anfänger, Mittelstufen und Fortgeschrittene wurde hoch und runter gelehrt.
Der meisten Klassen die wir anbieten bewegen sich in den Mittelstufen, hier bieten wir die meisten Variationen an.
Doch wo sind die Yogastunden für Menschen mit Bandscheibenvorfällen und nach Bandscheibenoperationen? Wo sind die Yogastunden für Menschen mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen? Wo finden wir Yoga für stark übergewichtige Menschen? Wo finden wir Yoga nach Hüft-und Knieoperationen? Wo finden wir Yoga für Menschen über 70 Jahre?
2. Grund: Yoga Physiotherapie – Wie Yoga die Physiotherapie unterstützen kann
Wenn du schon einmal bei einem Physio warst kennst du die Bedingungen. Wer ein Rezept in den Händen hält, kann sich schon mal glücklich schätzen. Dann kommen in der Regel 6 Termine in einer Praxis deiner Wahl. Wenn du eine gute Praxis findest kann es schon mal 4 bis 6 Wochen oder länger dauern, bis der erste Termin für dich frei ist. Dann geht’s los der erste Termin: Fragen über die Schmerzen, die Ursachen, eine Haltungsanalyse, Bewegungs- und Krafttests, die Beschreibung deines Problems. Und schon sind 20 Minuten vergangen und der erste Termin ist vorbei.
Schneller als du gucken kannst ist dein Physio auch schon wieder in der nächsten Sitzung. Aus meiner Physio-Praxis weiß ich die „Zeit am Patienten“ ist sehr, sehr kurz. In einer Stunde arbeite ich mit 3 Patienten. In diese 20 Minuten sind die Befund Erhebung, Anamnese (Fragen an den Patienten) Dokumentation, spezielle Untersuchungen und Tests, die eigentliche Behandlung und die Besprechung enthalten. Bis zu 24 Patienten pro Tag betreuen wir in der Physiotherapie.
Wahrnehmungsschulung, Kontakt zum Körper herstellen, Bewusstsein zum Körper herstellen, komplexe Bewegungsabfolgen erklären und diese anleiten usw. für diese wichtigen Erfahrungen ist häufig in der Physiotherapie keine oder nur sehr wenig Zeit.
In meiner Arbeit als Physiotherapeutin kommt Yoga trotzdem jeden Tag vor und ich versuche so viel wie möglich umzusetzen. Meine Patienten erhalten Yoga Übungen. Atmung, Wahrnehmung, Stabilität, Beweglichkeit und Koordination werden immer wieder in der Physiotherapie geschult. Leider fehlt es mir am Ende doch häufig an der Zeit. Zeit wirklich in dem Tempo auf den Klienten eizugehen, die dieser auch braucht um die einzelnen Schritte umzusetzen und sich an diesen zu entwickeln.
Die Themen von Yoga und Physiotherapie überschneiden sich nicht nur. Die Themen haben das gleiche Ziel: Gesundheit. Nur die Betrachtung und die Begründungssysteme sind etwas unterschiedlich.
Ich weiß aus eigener Erfahrung in der Physiotherapie, dass wirklich für alle Menschen Yoga einen Weg bereit hält. Alle meine Patienten werden immer mit Elementen aus dem Yoga betreut. Egal ob ich mich in der Einzeltherapie oder in der Gruppe befinde. Sie bekommen verschiedene Aufgaben und lernen so Stück für Stück ihren Körper kennen.
Yoga kann die Arbeit der Physiotherapeuten in den Folgenden Punkten unterstützen:
- Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeit
- Verbesserung der Koordinationsfähigkeit
- Verbesserung der Beweglichkeit
- Verbesserung der Stabilität und der Kraftfähigkeit
- Verbesserung und Vertiefung der Atmung
- Verbesserung der Selbstwirksamkeit
- Mehr Verantwortungsfähigkeit für die eigene Gesundheit
Werden unsere Patienten auf diesen Ebene bereits geschult und unterstützt, haben wir in der Physiotherapie wieder mehr Zeit um mit den speziellen Techniken aus der Manuellen Therapie, der Osteopathie und anderen Techniken zu arbeiten. In Zusammenarbeit mit einem Yogalehrer/in können Übungsprogramme abgestimmt werden.
Wie oft wurdest du schon als Yogalehrer/in nach der Stunde angesprochen die sich auf körperliche Probleme bezogen haben?
Dein Weg zu mehr medizinischer Professionalität – 3 wertvolle Tipps
Wie sicher fühlst du dich eigentlich im Umgang mit den Yogaschülern die Bewegungseinschränkungen und Schmerzen haben? Wie sieht deine Beratung und Betreuung als Yogalehrer/in aus? Welche Hinweise und Tipps gibst du diesen Menschen mit auf den Weg? Wie integrierst du diese Menschen mit Beschwerden in die Yogastunde?
Kennst du diese oder ähnliche Fragen und Aussagen deiner Yogaschüler?
- Mein Knie schmerzt immer wieder an der Innenseite, was kann ich machen?
- Meine Hüfte schmerzt und ich spüre immer dieses ziehen in der Leiste.
- Die Rückenschmerzen gehen einfach nicht weg. Aber ich mach doch schon so viel Yoga.
- Meine Hände schlafen mir ab und zu ein, was kann das sein?
- Ich habe einen Bandscheibenvorfall, darf ich noch alles mitmachen?
Auf körperlicher Ebene beobachte ich immer wieder, dass Signale des Körpers nicht beachtet werden und Grenzen von Schülern in der Yogapraxis zu schnell überschritten werden. Der Ehrgeiz und er Leistungsgedanke lassen die Bedürfnisse des Körpers manchmal in den Hintergrund treten.
Finde zu einem sicherern Umgang mit Beschwerden und Schmerzen deiner Yogaschüler/innen. Ich möchte Yogalehrer/innen dabei unterstützen diese Fragen immer sicherer zu beantworten und diese Schüler noch besser betreuen zu können. Der erste Schritt ist ganz einfach, nutze dafür den Fragebogen.
Der Fragebogen für den Yogaunterricht
Der persönliche Kontakt zu Yogaschüler/in kann nicht immer so gestaltet werden, dass wir alles über diesen Menschen erfahren. Häufig kennen wir die Beschwerden nicht mit denen die Menschen zu uns kommen. Wir bringen Menschen in Bewegung. Diese Menschen folgen unseren Anweisungen, sie vertrauen uns. Deshalb ist es sehr wichtig für uns zu wissen welche Beschwerden unsere Schüler haben, ob sie operiert wurden, ob sie einen Unfall hatten, ob sie künstliche Gelenke im Körper haben und vieles mehr.
Die Vorteile eines Fragebogens für den Yogalehrer/in:
- Du bekommst die wichtigsten Informationen schriftlich und direkt von deinem Schüler/in
- Du erfährst etwas über mögliche Beschwerden und Schmerzen
- Du erfährst etwas über Operationen, Medikamente und Allergien
- Du erfährst eventuell etwas über Regelbeschwerden oder eine Schwangerschaft
- Du erfährst etwas über die Dauer und Intensität von Schmerzen. So kannst du diesen Schüler noch individueller und achtsamer in der Yogastunde betreuen
- Du erfährst etwas über Verdauungsbeschwerden, Atmungsbeschwerden oder Herz-Kreislauf-Probleme
- Du wirkst noch professioneller und engagierter
- Du kannst dich auf den einzelnen Menschen expliziter vorbereiten
- Du kannst so dokumentieren ob sich die Beschwerden
Vorteile eines Fragbogens für den Yogaschüler/in:
- Eigene Reflexion über die eigene Gesundheit
- Bewusstes Nachdenken über Bewegungseinschränkungen und Schmerzen
- Verantwortlichkeit im Umgang mit dem eigenen Körper
- Fühlt sich gut aufgehoben
Yoga & Physiotherapie
Gehe in Kontakt mit einem Physiotherapeuten/in in deiner Nähe. Oder stelle den Kontakt mit einem Physiotherapeuten/in deiner Schüler her. Dann kannst du explizit nachfragen auf welche Übungen dein Schüler/in eher verzichten sollte. Du bekommst Fakten aus medizinscher Perspektive und lernst automatisch einiges dazu. Der Physiotherapeut/in schickt danach im besten Fall weiterhin Patienten in deine Yogaschule. Weil er weiß das du dich auch um die Erkrankungen und die Beschwerden deiner Schüler kümmerst. Außerdem kann er noch besser mit seinen Patienten/in arbeiten, wenn diese ihr Körper-und Bewegungsbewusstsein verbessern. Also eine absolute Win-Win-Situation.
Anatomie für Yogis – kein Buch mit 7 Siegeln
Die wichtigste Grundlage um alle Prozesse im Körper zu verstehen ist die Anatomie. Wenn wir wissen wie der Körper Aufgebaut ist, können wir auch besser verstehen wie dieser Körper funktioniert und was ihn belastet und was ihm gut tut.
Anatomie und Medizin sind unendlich weite Felder, wie in der Yogawelt lernt man auch hier nie aus.
Womit du dich als Yogalehrer jedoch unbedingt auseinander setzen solltest sind die folgenden Themen:
- Anatomie des knöchernen Bewegungsapparates und der Skelettaufbau
- Der Aufbau und die Form der Wirbelsäule
- Die Unterschiede des Aufbaus des Wirbelkörper in den Abschnitten der Wirbelsäule (Lenden-Brust-Halswirbelsäule)
- Aufbau und Funktion der Bandscheiben und die Bänder der Wirbelsäule
- Aufbau und die funktionelle Anatomie der Gelenke
- Verlauf der Muskeln mit Ursprung, Ansatz und Funktion
- Die wichtigsten Agonisten – Antagonisten – Synergisten des Körpers
- Muskelketten und deren funktionelle Bewegungsabläufe
Zum Abschluss
Anatomie ist ein Baustein der in deiner Yogapraxis nicht fehlen sollte. Je besser deine Vorstellung vom Körper ist, desto mehr kannst du anatomische und physiologische Grenzen erkennen. Fragen deiner Schüler zum Bewegungsapparat kannst du mit etwas Anatomie noch besser beantworten. Suche dir einen Physio mit dem du zusammenarbeiten kannst. Ich bin mir sicher Du, der Physio und eure Schüler werden von dieser Kombination profitieren und begeistert sein.
Ich freue mich wenn ihr mir Anregungen und Fragen zum Thema Bewegung, Anatomie und Physiotherapie zuschickt. Ich wünsche euch viel Spaß und ich hoffe ich konnte euch ein wenig neugierig machen in die Welt der Anatomie einzutauchen.
Liebe Helen,
ich möchte Dir ganz herzlich für Deinen sehr lehrreichen Bericht danken und auch für das Teilen des Fragebogens für die Yogaschüler 💚
Vielen Dank
Namasté
Birgitt Held
Hallo Birgitt, sehr gerne ! 🙂
Ich freue mich sehr wenn du und andere sich über den Artikel freuen.
Bis bald
Helen 🙂
Namaste Helen,
vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Text und den Fragebogen 🙂
Hilft mir sehr weiter!
Herzliche Grüße
Carmen
Hallo Helen,
darf ich den Fragebogen kopieren und für meinen Kurs Yoga für den Rücken den TeilnehmerInnen austeilen?
Liebe Grüße
Anita